Künstlerin und Mama auf Instagram – Fluch und Segen

Instagram Nutzung von KünstlerInnen

Instagram. Ich habe mir gestern die ARTE Instagram Doku angesehen. Und mir ist schlecht geworden. So viele neue Informationen waren es nicht für mich, aber doch alles geballt. Und ich frage mich, warum bin ich wieder auf dieser Plattform? Vor drei Jahren habe ich all meine Social Media Profile gelöscht. Mich befreit. Von diesen weiteren To Dos. Diesen Zeitfressern. Dieser Selbstinszenierung. Dieser Sucht, neugierig in anderen Leben „herumzustierdln“. Damals wollte ich auch meine Kunst für immer sein lassen. Ich hatte das Gefühl, gescheitert zu sein. Ich wusste selbst nicht was ich zukünftig machen will. Und selbst unrund zu Sein, keinen Plan zu haben und Selbstdarstellung weiter aufrecht zu erhalten war zu viel für mich.

 

Ja und dann haben es letztes Jahr mehrere Zufälle ermöglicht, doch nochmal mein Glück als Künstlerin zu versuchen und diesmal mit voller Power, nämlich auch als eigene Kunstgalerie mit Onlineshop. Socialmedia-Kanäle wollte ich aber nicht bespielen, zu groß war die Angst, mich wieder in der Selbstinszenierung zu verlieren, Selbstbewusstsein von Reaktionen abhängig zu machen und süchtig nach diesen vielen Bildern und Menschen zu werden.

 

Mein Bruder, der mich technisch mit dem Onlineshop unterstützt, hat mir immer wieder empfohlen, auch Socialmedia-Kanäle zu nutzen: „Woher sollen die Menschen denn deine Bilder kennen?“, fragte er mich immer wieder. Ja und irgendwann war ich überzeugt. Diesmal aber nur beruflich. Nur für die SCHUBERT GALLERY. Nur über eine externe Content Management Plattform. Ich will nie wieder direktes Opfer dieser Maschinerie werden. Ja und immer wieder klappt das auch ganz gut. Ich nutze eine Plattform, auf der ich Beiträge vorprogrammiere, zum Beispiel erstelle ich für zwei Wochen alle Beiträge fix fertig und die werden dann automatisch gepostet und ich muss nicht mal online sein. Genauso wie letzte Woche, als ich mit meiner Familie in Vorarlberg auf Urlaub war. Ich hatte mein „Social Media Handy“ nicht mit und die Postings wurden automatisch online gestellt. Was ist ein „Social Media Handy“? Ja, ich gebe ehrlich zu, dermaßen „labil“ zu sein, dass ich ein extra Handy für Social Media brauche, das ich aktiv in eine Lade verräume, aktiv zuhause lasse, wenn ich auf Urlaub bin oder mit meiner Familie Ausflüge mache. Aus den Augen aus dem Sinn.

 

Mein Bruder hält mich seitdem für sehr sonderbar glaube ich: „Du kannst dir Instagram doch in einen extra Ordner am Handy geben, dann siehst du die App nicht. Oder du kannst die App zeitlich begrenzen oder dir selbst sperren“. Ja da bin ich altmodisch. Ein Handy für die Freizeit. Ein Handy für die Arbeit. Natürlich total bescheuert, wenn mich mein Mann dann meistens mit beiden Handys auf der Couch liegen sieht. Also ja, das System ist noch nicht ganz ausgereift. Aber es wird!

 

Auf was ich jetzt aber eigentlich hinauswill: Ja, mit Instagram wird meine Kunst sichtbar. Ja, durch Instagram werden Menschen auf meine Kunst aufmerksam und kaufen meine Kunst. So erfüllt sich mein Traum. Mein Traum, den ich immer schon hatte. Künstlerin zu sein und von meiner Kunst leben zu können. Und noch mehr: Durch Instagram habe ich mich mit anderen Kreativen und ähnlich Denkenden in Wien und international ausgetauscht. Ja, ich habe diese Menschen sogar teilweise dann im Offline-Leben getroffen! Und dann auch noch: Durch Instagram folge ich Frauen, die ich bewundere. Ich habe durch sie viel gelernt. Dass Schwächen ok sind. Dass alle Menschen Schwächen haben. Viele Selbstzweifel haben. Ich habe durch Instagram über Bücher erfahren, die ich in meinem Leben nicht mehr missen will. Ich folge Menschen, die mich inspirieren, mehr ich selbst zu sein. Ich habe mir meine Bubble zusammengebastelt, die mir gut tut.

 

Aber warum bin ich überhaupt aktiv auf der Plattform, wenn ich doch meine Beiträge vorprogrammiere? Weil ich seitdem ich Mama bin, oft stundenlange Schlafbegleitung für meine Tochter gebe. Sie schläft nur beim Stillen ein und auch dann wacht sie manchmal nach kurzer Zeit wieder auf. Ich habe mich lange Zeit sehr isoliert in meiner neuen Rolle gefühlt. Hilflos und verzweifelt. Fremdbestimmt. Und dann habe ich mir immer wieder mein „Social Media Handy“ bei der Schlafbegleitung mitgenommen, so dass es meine Tochter weder sieht noch hört, weit von ihrem Kopf weggestreckt. Und habe so digitales Socializing betrieben, während meine Tochter sehr langsam einschlief. Also mit anderen Künstlerinnen oder Müttern Nachrichten ausgetauscht. Teilweise stundenlang. Bis meine Tochter dann endlich geschlafen hat. Und habe mich trotzdem schlecht dabei gefühlt. Das Handy so nah bei meinem Kind? Ich wieder total in meine Social Media Sucht verfallen?

 

Kürzlich habe ich mit einer Freundin darüber gesprochen und zusammen sind wir draufgekommen, dass Social Media nicht nur schlecht für mich ist. Sondern, dass es mir auch viel ermöglicht. Nicht nur das Sichtbarmachen meiner Kunst, sondern auch der Austausch und das Vernetzen mit interessanten Menschen. Das was mir jetzt als Mama so fehlt. Das Ausgehen am Abend. Das Menschen Kennenlernen. Das Sichtbar sein. Das kann ich mir jetzt durch Instagram holen. So auch wie in der ARTE Doku beschrieben wurde, dass während der Lockdowns sich die Menschen auf Instagram getroffen haben, Konzerte gegeben haben, Interviews geführt haben. Dass Instagram den Menschen einen Raum gibt für Austausch. Und dass es auch immer in Richtung ehrlichem Austausch geht. Nicht mehr nur um die Perfektion der Selbstdarstellung. Sondern immer mehr auch um ehrliche Gefühle. Ungeschminkte Gesichter. Ehrliche Elternschaft. Und und und. Und das finde ich wieder interessant. Das will ich. Ich will Ehrlichkeit. Ich will, dass wir uns ehrlich über Gefühle austauschen können. So fühlen wir uns weniger allein. Und dafür ist Instagram eine gute Plattform. Durch Hashtags kann ich Gleichgesinnte finden. Menschen, die wie ich fühlen. Die ich sonst vielleicht nie getroffen hätte. Auch wenn sie im gleichen Grätzl leben.

 

Also ja, es ist schon gut, dass ich Instagram nutze. Aber ich möchte wirklich mehr über meine Nutzung reflektieren, mehr nutzungsfreie Zeiten einplanen. Wieder mehr vorprogrammieren. Und vielleicht nur 20 Minuten pro Tag online socializen. Oder doch 30 Minuten? Und mich mehr über meine Social-Media-Problematik austauschen. Wie geht es dir damit?